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ERGÄNZUNG HIHOPFRESTIVAL + TOWNSHIPPARTY, ALLTAG UND EINE ANDERE FORM VON GERECHTIGKEIT!

  • tillbehnke
  • Oct 12, 2014
  • 5 min read

Liebe Leuts,

habt ihr eine schöne Woche gehabt, wie war die Arbeit, die Schule, wie ist der Alltag?

Auch in meinen Alltag ist wieder Regelmäßigkeit eingekehrt, die Schule hat wieder angefangen und auch der Sport geht regelmäßig weiter, sogar mit einem sportlichen Höhepunkt im Fitnessstudio und im Schwimmbad, aber natürlich nur Probetraining.

Aber erstmal noch zum letzten Wochenende und damit zum Hiphopfestival am LookoutHill und der anschließenden Townshipparty. Meine Vorstellungen an das Festival waren nicht besonders groß, aber ich wurde positiv überrascht. Also von Anfang an: ungefähr 20 andere Freiwillige aus Muizenberg, Fishhoek und co sind am Samstag zu mir gekommen. Die Mainroute, direkt um die Ecke bei mir, war total überfüllt mit Autos und Menschen, wie jeden Sonntag eigentlich, wenn sich nach der Kirche alle zum Quatschen treffen und dazu tanzbare Musik und ein Bier genießen, meistens Castle Lite.

Das eigentliche Festival war im Lookouthill, die Aussichtsplatform bei mir in der Nähe. Überall waren gekonnt gekleidete Hiphopmenschen, die sich in zwei große Gruppen teilten – einmal an und um die Bühne rum, auf der sich verschiedene Artisten die Stirn baten. Und zweimal an unzähligen Bierzeltganituren mit überwiegend alkoholarmen Cider. Kurz gesagt, ganz Amüsant, aber ein bisschen zu viel gesehen und gesehen werden für mich.

Hier ein kleiner Einblick zum Anfang des Festivals:

CIMG6190.JPG

Die Townshipparty war richtig gut, aber einfach zu viel an einem Tag. Wir haben uns da nur zwei Stunden zusammen mit in die Jahre gekommenden Damen und Kindern aufgehalten, aber hatten durchaus unseren Spaß beim Tanzen.

Am Sonntag habe ich dann zusammen mit meinen Gastgeschwistern und zwei Nachbarskindern einen Strandtag in Muizenberg gemacht. Muss sagen, die haben sich sehr gefreut, aber es war doch anstrengender als erwartet.

Fazit vom ersten Wochenende im Township: extrem angenehm!

Ab Montag ging es dann wieder zur gewohnten Arbeit. Mittlerweile habe ich einen mehr oder weniger festen Stundenplan. Die ersten beiden Stunden sind meine Hausmeisterstunden mit anschließender Pausenaufsicht. Mittwochs und Freitags habe ich Painting und Craft mit der ersten Klasse, Donnerstag Sport mit der sechsten und siebten Klasse. Ansonsten bin ich eingeteilt für Reading Class 5. Jeder Frewillige hat eine Klasse und muss jede Woche jeden Schüler einmal lesen hören und dann seine Verbesserungen oder Verschlechterungen aufzeichnen.

Am Dienstag war ich im zusammen mit meiner Gastmutter und meinen Gastgeschwistern im Fitnesscentre mit integriertem Schwimmbad. Das war mal eine willkommen Abwechslung zum Townshipgruppensport und auch mal wieder im Süßwasser zu schwimmen war auch was Besonderes.

Das Wochenende habe ich mal wieder in Muizenberg verbracht mit den gewohnten Beschäftigungen wie Strand, Essen, Quatschen und einfach entspannen.

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EINE ANDERE FORM VON GERECHTIGKEIT:

Jenseits von den ungemein vielen positiven Erfahrungen, die ich immer mit euch teile, gibt es heute auch etwas zu berichten, was ich als negative Erfahrung verzeichnen würde, aber damit nicht unbedingt als Gehe-der-Erfahrung-aus-dem-Weg-Erfahrung sehen würde.

Am Freitagmorgen beim Frühstück, also wirklich noch frühmorgens, haben wir auf einmal Rufe und Menschen auf der Straße vor unserer Tür gehört. Meine beiden Gastgeschwister sind raus gerannt und wenig später meine ältere Gastschwester auch. Sie meinte zu mir ich solle die Tür abschließen und mitkommen.

Als ich dann auch mal auf der Straße stand musste ich mich erstmal orientieren bis ich die anderen wieder gefunden habe. Die standen zusammen mit ungefähr 30 anderen Menschen in einem Haufen zusammen und etwas oder jemand lag in der Mitte. Als ich ankam sah ich, dass es ein Mensch war. Alle Menschen, die ihn erreichen konnte, schlugen den Mann mit Holz – und Metallstäben.

Ich war wie gelähmt, wusste nicht wie mir geschah – ehrlich gesagt mir ist fast das Frühstück wieder hochgekommen. Als dann ein Polizeiauto mit ordentlichem Tempo um die Kurve beinahe geflogen ist, war ich zuerst erleichtert, dass die Situation hoffentlich bald gelöst wird. Aber als die Polizisten selbst ausstiegen, haben sie zwar die anderen Leute abgehalten den Mann auf dem Boden weiterhin zu verletzen, stattdessen haben die Polizisten sich nochmal „ausgetobt“.

Bis der Mann dann endlich in den Polizeiwagen verfrachtet wurde vergingen gefühlt Stunden, aber wie sich später herausstellte waren es nur Bruchteile von Minuten. Ich stand wie angewurzelt an der Stelle und war sehr geschockt, während dessen sich Kinder, Erwachsene und Alte Leute gegenseitig feierten - ich dachte nur: Du musst hier raus!

Wieder zuhause angekommen erklärt mir mein 12-jähriger Gastbruder: „This is Khayelitsha.“

Nun zu den Hintergründe von dem Vorfall:

Der Mann wollte in ein Haus schräg gegenüber von unserem einbrechen. Dabei wurde er gesehen von Nachbarn, die ihn durch das Viertel jagten und immer mehr Menschen zusammen trommelten.

Mir wurde später von meiner Principal erklärt, dass so ein Ritual normal sei, wenn ein Räuber von der Community erwischt wird. Die Leute jagen ihn und schlagen ihn entweder zu Tode oder verbrennen ihn, wenn die Polizei nicht kommt. Wenn die kommt, ist es häufig so, dass diese auch nochmal ihre Wut auslässt und den Einbrecher dann mitnimmt.

Warum aber diese komplett andere Handlungsweise als in Deutschland?

Das hat mehrere Gründe. Die Menschen haben sich ihre Wertsachen hier sehr hart erarbeitet, die können sich nicht mal eben einen neuen Fernseher kaufen, sondern haben lange auf ihren gespart. Weiter liegt ein Problem bei der Polizei. Diese sind total überlastet und können nicht jeden Notruf verfolgen, selbst wenn diese ein Einbrecher festnehmen kommt der nach zwei Tagen wieder frei und so wie die Community sagt, wird er weiter einbrechen. Deswegen wollen sie ihm einen Lehre erteilen bzw. ihn töten, damit er es nicht wieder machen kann.

Ich habe darüber mit vielen Leuten gesprochen, sowohl mit Einheimischen, als auch mit deutschen Freiwilligen. Viele Einheimische haben meine Sicht verstanden, dass ich total geschockt war und das nicht als richtig empfunden habe, sagen aber gleichzeitig, dass es keinen anderen Ausweg gibt und sie es schon über Generationen so machen. Teilweise wird es auch als komplett richtig bewertet, weil der Mensch hat ja gestohlen. Hier herrscht ein komplett anderes Verhältnis zur Gewalt, das wusste ich zwar schon, aber das es aus meiner Sicht so gestört ist, war mir noch unklar.

Auch wenn das jetzt alles ziemlich krass klingt, ist es der Alltag für die Menschen hier und irgendwie auch für mich. Ich habe vor meinem Auslandsjahr über Kulturverschiedenheiten nachgedacht und überhaupt über das Leben im Township und jetzt bin ich an einem Punkt von ganz schönen Gegenteilen gestoßen und wie fies es klingt ist es doch eine prägsame und wichtige Erfahrung für mich gewesen. Hier ist halt nicht alles schön, woran ich mich erst gewöhnen muss.

Bitte macht euch keine Sorgen um mich, am Wochenende war ich jetzt wieder in Muizenberg und habe auch dort mit den anderen Freiwilligen über mein Erlebnis gesprochen und habe auch sonst viel darüber nachgedacht. Ich habe zwar meine feste Position, aber ich habe die andere Seite auch verstanden und hake das Erlebnis so langsam ab, ich weiß es klingt fies, aber anders macht man sich hier kaputt.

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Als kleine Aufmunterung noch ein Bild von mir – huch was ist das, ja ich hab meine Haare mal wieder abgeschnitten. Da muss ich wohl den Dreadlocks ade sagen, aber ich glaube dafür bin ich auch nicht so der Typ.

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Eine gaaaaanz große Umarmung an euch alle – ich vermiss euch und drück euch von hier.

Bis demnächst – euer Sipho

 
 
 

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